Unter grünen Palmen
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Oldenburg isst unter grünen Palmen

HERR KNUST Story. Grünkohl ist in Norddeutschland und im Rest der Republik bekannt wie ein sehr bekanntes Rezept, welches irgendwie jeder kennt, zumindest saisonal ist das so, doch was der außenstehende Grünkohlnovize oft nicht weiß, es gibt enorme Unterschiede in der Zubereitung und in der Präsentation der Grünkohlpalme samt Pinkel, Kassler und Kochwurst. Kennerinnen und Kenner erkennen schnell aufgrund der aufgezählten Fleischspezialitäten, hier wird über ein deftiges Grünkohlmahl aus Oldenburg i.O. geschrieben. Unter grünen Palmen im Herbst und Winter, deftig, gesund, saisonal und eine echte norddeutsche Mahlzeit, die bewahrt wird. Oldenburg isst unter grünen Palmen.

Grünkohl im Ratskeller Oldenburg

Kindheitserinnerungen werden jährlich über die Sensorik auf den Teller gebracht, konsequent und traditionell nach alt herbeibrachten Rezepten, die sich im Grunde ähneln, weil praktisch jeder Haushalt seine kleinen Besonderheiten über eigene Gewürze und eigene gekochte Zutaten miteinbrachte und so die Grundrezeptur für sich veredelte. Das läuft ähnlich wie beim Generationenvertrag, die ältere Generation übermittelt der Jüngeren die Grundrezeptur und diese trägt sie an die darauf folgende Generation weiter. Es geht hier stets um das traditonelle norddeutsche Grünkohlrezept aus der Region Oldenburg.

Ein Stück ist Grünkohl auch eine Frage der Herkunft, in der Region Oldenburg und im am angrenzenden Ostfriesland und Ammerland ähneln sich die Grünkohlrezepte oft, wenn man etwas weiter nach Osten nach Bremen schaut, redet man schon von Braunkohl, aber man meint wohl dasselbe, aber eben anders. Noch weiter tiefer im Osten und südlich-östlich redet man von Bregenwurst und nicht mehr von Pinkel, das spielt heute aber keine richtige Rolle, wir schauen nach Oldenburg in Oldenburg, die auch selbsternannte Grünkohlhauptstadt, immerhin wird einmal im Jahr in Berlin das Defftig Ollnborger Gröönkohl-Äten veranstaltet, die Stadt Oldenburg hat dieses gemeinsame Essen im Jahr 1956 ins Leben gerufen um die Kontaktpflege zu intensivieren, kurz und knapp, es viel gegessen und das eine oder andere Getränk kredenzt. Ganz nebenbei, bei dieser Zusammenkunft, wird jedes Jahr eine prominente Politikerin oder ein bekannter Politiker als Grünkohlkönigin oder Grünkohlkönig gekürt.

Grünkohl isst heilig in Oldenburg

Kommen wir nun zum wesentlichen Teil dieser Story, es geht um Essen, saisonales und regionales Essen und das ist Grünkohl ohne Wenn und Aber, seit Jahrhunderten wird das grüne Gemüse als Kraftnahrung in der Region verarbeitet, auch in Verbindung mit der täglichen Schwerarbeit ging es darum Energie über eine Grünkohlmahlzeit zu bekommen. In Kombination mit Fleisch (wurde in früheren Zeiten weniger verzehrt, weil Fleisch ein pures Luxusgut war, für Jedermensch war dies nicht immer erreichbar) und Kartoffeln war dieses Essen pure Kraftnahrung, nicht mehr und nicht weniger. Das war damals anderes als heute, gegenwärtig geht es um Genuss und Luxus, nicht um die notwendige Nahrungsaufnahme. Gerade die Torfstecher in der Region machten täglich einen Knochenjob, der einen hohen Energiebedarf forderte, diese Zeiten sind lange vorbei, es geht jetzt um den Genuss und da bewegt sich einiges. Die traditionellen Gerichte werden aufgebrochen und es kommen mehr und mehr Variationen auf die Tische der Region, die Rezepte erstrecken von klassisch deftig bis zu schlank und bekömmlich vegetarisch.

Im Ratskeller Oldenburg habe ich einen halben Tag in der Küche mitgekocht oder zumindest habe ich so getan als ob, so war geringstenfalls meine Wahrnehmung, ich habe den kochenden Protagonistinnen neugierig und hungrig über die Schulter geschaut, gute Tipps waren inklusiv und für die eigene Küche enorm hilfreich. Auch wenn das ganze Gericht sehr rustikal ist, kommt es auf die Feinheiten an. Folgend gibt es einiges zu erfahren und etwas zum Nachkochen.

Oldenburg isst unter grünen Palmen

Norddeutschland oder besser gesagt, Oldenburg legte sich um meine Nase. Der Geruch von bereits fertig gekochtem Grünkohl, der mit Schmalz, Zwiebeln, Speckwürfeln, Kasslerschinken, Pinkel und Kochwurst und besonderen Gewürzen, im Ratskeller gekocht wurde, verbreitete sich in der Luft. Das althergebrachte Grünkohlrezept ist bekannt für die bodenständige Kochart und Zubereitung, hier gibt es kein Chi Chi oder Experimente, dafür gibt es eine Chance, die jedoch hier keine Rolle spielt.

Der große Kochtopf in der Küche fasst 30 kg Grünkohlgemüse, welches vor dem Kochen ein sattes glänzendes Grün hat. Bevor das Kraut in den Topf gegeben wird, wird die Kochbasis angesetzt, tüchtig Schmalz erhitzen und danach Gemüsebrühe hinuzugeben, nebenan auf den offenen Flammen, werden zwei gusseiserne Pfannen vorbereitet, in der Schinkenwürfel und klein gehackte Zwiebeln angebraten werden, die Düfte, die bereits jetzt in die Luft liegen, sind ein Fest für alle Fans der derben Speise, ich hoffe ab diesem Zeitpunkt fangen die Bilder im Kopf deutlicher zu werden. Parallel ist der geräumige Topf so weit, das grüne Gemüse wird eingegeben und mit der vorbereiteten Schmalzbasis samt Gemüsebrühe vermengt, zwischendurch werden die Gewürze eingestreut und mit einem großen Löffel, dem Grünkohlpaddel, mit kräftigen Armbewegungen vermengt.

Damit die kulinarische Reizüberflutung perfekt wird, wendet sich die Köchin dem Kasslerstück zu, die dunkelrote Kruste des Schweinebauches ist kross und ummantelt das saftige dunkelrosafarbene Fleisch, welches nun in daumendicken Scheiben aufgeschnitten wird. Die Enden werden klein geschnitten und mit in den Grünkohltopf gegeben, der Inhalt wird immer wieder durch kräftiges Umrühren durchgemengt. In der Zwischenzeit sind die Zwiebeln so weit glasiert und Schinkenwürfel leicht angeröstet, auch diese Feinheiten werden im nächsten Schritt in den Kochtopf gegeben und verrührt.

Oldenburg isst unter grünen Palmen

So weit, so gut, im Grunde ist alles gut vorbereitet, der Grünkohl kocht ab jetzt gute zwei Stunden weiter. Nachdem sich alles gesetzt hat und bevor das Glück aus grünen Palmen serviert werden kann, wird gute 15 Minuten vorher Hafergrütze beigeben und untergemengt, so behält man die knackige Konsistenz der Grütze. Die Zutaten Kochwurst, Pinkel plus Salzkartoffeln werden in der Zwischenzeit vorbereitet und bereit gestellt und auf einem Teller angerichtet, ganz wichtig dabei ist einen milden mittelscharfen Senf für die Fleischbeilagen zu nutzen. Moin, guten Appetit!

Bevor ich es vergesse, so richtig herrlich schmeckt Grünkohl samt Beilagen am nächsten Tag, wenn alles abgekühlt ist, langsam erhitzen und schmecken, toll!

Hier im Schnelldurchlauf – Unter grünen Palmen

Oldenburger Grünkohl – Zutaten und Rezept für 10 Personen aus dem Ratskeller Oldenburg:

  • 2,5 Kg Oldenburger Grünkohl fein gehackt
  • 1 Kg Kassler Nacken vom Knochen
  • 1 Kg Bauchspeck geräuchert
  • 10 Stk. Pinkel
  • 10 Stk Kochwürste
  • 200g Speckwürfel
  • 250g Schweineschmalz
  • 2 Gemüsezwiebeln
  • 1,5 Liter Gemüsebrühe
  • 100g Senf
  • Gewürze: Piment, Salz, Pfeffer, Zucker
  • 200g Hafergrütze
  • Kasslernacken und Bauchspeck in der kalten Gemüsebrühe aufsetzen und gute 2 Stunden köcheln lassen bis alles gar ist.
  • Das Fleisch aus dem Sud nehmen.
  • Die Gemüsezwiebeln klein in Würfel hacken, samt Speckwürfel in Schweineschmalz anbraten. Alternativ, Zwiebeln und Speck getrennt glasieren und anbraten, je nach Wunsch des Röstgrades.
  • Jetzt den Sud mit Zwiebeln, Speck und Grünkohl hinzugeben und für 1,5 Stunden köcheln lassen.
  • Den fertigen Grünkohl mit Piment, Salz, Pfeffer, Senf und Zucker abschmecken und mit Hafergrütze abbinden.
  • Ganz fein wird der Grünkohl am nächsten Tag nach dem Abkühlen, Fleischspezialitäten hinzugeben, langsam erhitzen und BÄM, fertig ist die herrlich Herbst- und Winterspeise.
  • Nicht vergessen, als Beilagen eignen sich mittelscharfer Senf, Salzkartoffeln oder Bratkartoffeln, jedem so wie es gewählt.

Text: Maik Merten – Fotos: Matthias Knus